Dichtkunst und Spiritualität – CD von Sri Chinmoy

Last modified September 12, 2021

Diese CD enthält drei bedeutende Aufnahmen Sri Chinmoys. Die erste Aufnahme ist ein seelenvolles Esraj-Konzert aus dem Jahr 1977. In der zweiten Aufnahme von 1978 rezitiert Sri Chinmoy einige seiner Lieblingsgedichte wie „The Golden Flute“.

Die dritte Aufnahme ist ein Vortrag vom selben Tag über das Thema „Dichtkunst und Spiritualität“.

Anmerkungen auf dem Originalalbum:

Als der spirituelle Lehrer Sri Chinmoy 1976 begann, öffentlich auf der Esraj zu spielen, erklärte er es zu seinem Lieblingsinstrument. Im darauffolgenden Jahr gab er 74 Esraj-Konzerte, zumeist in der Nähe der Metropolitan Oper. 1989 sagte er: „Meine Bekanntheit als Musiker verdanke ich der Strebsamkeit, der Hingabe und dem musikalischen Talent für meine geliebte Esraj.“
Das Esraj-Konzert in dieser Aufnahme vom 28. Februar 1977 fand statt im Cole Auditorium der Greenwich Bibliothek in der Putnam Avenue in Greenwich, Connecticut.

Am 15. Januar 1978 fand in Manhattan eine Veranstaltung zu Ehren Sri Chinmoys Dichtung (Sri Chinmoy Poetry Awards) statt – eine Art Wettstreit in spiritueller Dichtkunst. Die vorliegende CD enthält Gedichte und einen Vortrag, den Sri Chinmoy anlässlich der Veranstaltung hielt. Die Veranstaltung fand in der Jharna-Kala-Galerie im Grand Central Terminal, dem betriebsamsten Bahnhof in den Vereinigten Staaten, statt. In diesem Wettstreit gaben Sri Chinmoy und seine Schüler ihr Urteil über die Gedichte ab, sie präsentierten aber keine eigenen Gedichte. Sri Chinmoy eröffnete den Abend mit einer Meditation und Darbietungen auf der Esraj und der Flöte. Danach trugen die Gewinner ihre Gedichte vor. Die Teilnehmer, die nicht persönlich anwesend sein konnten, hatten Aufnahmen gesandt, die dem Publikum vorgespielt wurden. Darauf folgten musikalische Darbietungen von mehreren Schülergruppen. Zum Schluss zeichnete Sri Chinmoy die Gewinner aus, trug einige seiner eigenen Gedichte vor und sprach über Dichtkunst und Spiritualität.

Dichterlesung in der Jharna-Kala-Galerie

O Liebhaber der Dichtkunst, ihr seid nicht nur Anhänger der Dichtkunst, sondern auch der Spiritualität, denn Dichtkunst und Spiritualität gehen Hand in Hand. Sie sind nicht zu trennen. Wahre Dichtkunst und wahre Spiritualität gehören immer zusammen. Man sagt, die Dichtkunst komme der Spiritualität am nächsten. Für mich ist das eine Untertreibung. Ich fühle tief in meinem Inneren, dass Dichtkunst – sofern sie göttlich und spirituell ist, unweigerlich Spiritualität umfasst und wahre Spiritualität Dichtkunst einschließen muss.

Ein Dichter ist jemand, der die höchste absolute Wahrheit im Auge hat. Wenn ein Dichter auf der physischen, vitalen, mentalen und manchmal auch der geistigen Ebene der Welt sein Werk präsentiert, schätzen wir ihn, bewundern wir ihn. Wenn wir aber den Sucher im Dichter, den Wahrheitsliebenden im Dichter sehen können, die eigentliche Wirklichkeit in der Vision des Dichters, dann werden wir einen Schritt weiter gehen können. Wir werden dann unser untrennbares Einssein mit dem Dichter erkennen.

Es heißt, der Dichter habe keinen eigenen Charakter. Nun möchte ich die Frage stellen, warum sollte ein Dichter einen eigenen Charakter haben? Der Dichter identifiziert sich mit der Wahrheit. Wenn er durch sein Gedicht Wut ausdrücken muss, dann wird er sich natürlich mit dem Wut-Bewusstsein identifizieren. Wenn er Liebe ausdrücken muss, wird er sich mit dem Liebes-Bewusstsein identifizieren müssen. Kraft seiner Identifikation mit der Wirklichkeit, so wie er sie gesehen hat, offenbart er der Welt seine Inspiration und Strebsamkeit.

Ein Dichter betrachtet die Wahrheit aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Er ist nicht verpflichtet, die Wahrheit immer nur von einem Blickwinkel aus zu sehen. Ein Dichter kann über ein bestimmtes Thema in unterschiedlicher Art und Weise sprechen. In diesem Moment mag er den Tod preisen und anrufen, im nächsten Moment mag er den Tod kritisieren. Das heißt nicht, dass der Dichter nicht ein Mensch mit Prinzipien ist. Ganz und gar nicht! Befindet er sich auf einer bestimmten Bewusstseinsebene, sieht er den Tod in einer Form, gemäß der Fähigkeit und Empfänglichkeit, die er zu diesem Zeitpunkt hat. Befindet er sich auf einer anderen Bewusstseinsebene, sieht er den Tod vielleicht auf eine andere Weise, unter einem anderen Aspekt. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird er den Tod als etwas sehr angenehmes, sehr freundliches sehen. Wenn die Welt ihn peinigt, wenn die Welt ihm nicht die gebührende Anerkennung gibt, wird er dafür beten, der Tod möge kommen und ihn umarmen. Aber derselbe Dichter ist ein menschliches Wesen. Nehmen wir an, er wird mit Ruhm und Anerkennung überschüttet, alle weltlichen Errungenschaften liegen ihm zu Füßen, die ganze Welt hört auf ihn und er sieht im Inneren und Äußeren Schönheit. Dann wird er in solch einem Moment, wenn der Tod an seine Tür klopft, natürlich den Tod als Feind ansehen und den Tod bitten, ihn nicht hinweg zu nehmen. Er braucht und will den Tod nicht.

Es gab einige Dichter, die der Welt seelenvolle und prophetische Äußerungen hinterlassen haben. Ihre Gedichte haben Bewusstseinsebenen erreicht, die hoch, sehr hoch sind, aber ihr äußeres Leben stand nicht im Einklang mit ihren prophetischen Äußerungen. Sie führten ein ungöttliches Leben, ein unstrebsames Leben; daher schenken viele, viele Menschen ihren seelenvollen Äußerungen keine Aufmerksamkeit. Sie sagen, „Er hat das geschrieben, aber wen interessiert das? Er hat ein gewöhnliches Leben geführt, ein ungöttliches, tierisches Leben.“ Ich möchte aber die Sache der missverstandenen Dichter verteidigen. Wir sind hier alle Sucher. Wir wissen, dass wir Gott so bald wie möglich verwirklichen sollten. Wie viele Minuten innerhalb der 24 Stunden eines Tages verbringen wir aber in einem göttlichen Bewusstsein und wie viele Stunden davon sind wir in einem gewöhnlichen oder ungöttlichen Bewusstsein? Wir verweilen für einige flüchtige Minuten in einem göttlichen Bewusstsein, und den Rest des Tages befinden wir uns in einem absolut gewöhnlichen oder sogar in einem ungöttlichen Bewusstsein. Was aber tun wir in diesen wenigen göttlichen Minuten? Wir verschaffen uns einen freien Zugang zu einigen höheren Bewusstseinsebenen.

Ähnlich verhält es sich, wenn ein bestimmter Dichter in hohe, höhere, höchste Bewusstseinsebenen eintritt: Er sieht und wird für eine Weile die Wirklichkeit, die Wahrheits-Essenz dieser Bewusstseinsebenen. Und wie der Kletterer klettert er den Wirklichkeits-Baum hinunter und bietet der Welt die Früchte an. Dann betritt er vielleicht wieder die Welt des Vergnügens, des vitalen Lebens und so weiter. Aber seine Errungenschaft auf der höchsten Ebene war absolut wahr. Nur weil er jetzt den Freuden der Unwissenheit nachgeht, können wir seine Errungenschaften auf den höheren Ebenen des Bewusstseins nicht außer Acht lassen. Wenn wir beten und meditieren, wachsen wir in die Göttlichkeit hinein. Wenn wir nicht beten und meditieren, bleiben wir ungöttlich. Aber nur weil wir nicht ständig beten und meditieren, können wir nicht sagen, dass wir unspirituell sind. Wir sind spirituell, aber wir können oder wollen auf der gegenwärtigen Stufe unserer Entwicklung nicht die ganze Zeit Spiritualität praktizieren.

Es gibt viele, viele Dichter, die unserer Meinung nach das emotionale Leben, das vitale Leben genossen haben, aber sie haben uns dennoch etwas Bemerkenswertes geboten. Sie haben uns spirituelle Wahrheiten von höchstem Wert angeboten. Ich sehe ihre Errungenschaft. Ich schätze ihre Errungenschaft sehr und von ganzem Herzen. Im Laufe der Zeit wird der Tag kommen, an dem sie sich mehr um die Umwandlung ihrer Natur kümmern werden. Schließlich werden sie tiefer in das spirituelle Leben eintreten, in ein bewusstes, auf ein zielgerichtetes spirituelles Leben. Jede einzelne Seele, die eine menschliche Inkarnation angenommen hat, wird ohne Zweifel die absolute Wahrheit hier auf Erden manifestieren, denn das ist die Vision des Supreme. Für die Umwandlung des Körperbewusstseins und des Erdenlebens wird jede Seele immer wieder auf die Erde hinabsteigen, bis die Vollkommenheit in dieser speziellen Seele dämmert. Daher sollten wir den Errungenschaften der Dichter in der Welt der Wirklichkeit und der Göttlichkeit, die sie der Menschheit so seelenvoll zur Erhöhung und Umwandlung des menschlichen Lebens darboten, größte Aufmerksamkeit schenken.

Ein Dichter ist jemand, der die innere Wirklichkeit betrachtet und den inneren Reichtum zum Vorschein bringt. Ein Dichter ist ein Bote für Gott den erhabenen Musiker. Ein Dichter sieht das kosmische Spiel vor dem Rest der Welt. Er beobachtet das kosmische Spiel und nimmt daran teil, und er lädt den Rest der Welt ein, ebenfalls an diesem kosmischen Spiel teilzunehmen. Wenn wir die seelenvollen Äußerungen der Dichter von ihrem äußeren Leben trennen können, werden wir in der Lage sein, beträchtlichen inneren Reichtum von ihnen zu gewinnen. Wer die Worte gesagt hat, ist nicht die entscheidende Frage, sondern was die Äußerung bedeutet. Es gibt viele lyrische Zeilen und Strophen, die uns, wenn wir sie seelenvoll wiederholen, unweigerlich auf eine höhere Bewusstseinsebene heben. Jeder einzelne Sucher kann sich mit den seelenbewegenden Äußerungen des Dichters identifizieren. Kraft dieser Identifikation kann der Sucher leicht etwas Göttliches, Erleuchtendes, Erfüllendes und Unsterbliches für sich erlangen.

Mit eurer freundlichen Erlaubnis werde ich heute Abend einige meiner Lieblingsgedichte vorlesen. Ich werde diese heute nicht kommentieren. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, in naher Zukunft meine spirituellen Kommentare zu diesen seelenvollen Äußerungen der Dichter abzugeben, die viel zur spirituellen Welt beigetragen haben, der Welt, in der wir zu leben versuchen. Ich war mein ganzes Leben lang ein Dichter, und ich bin auch ein spirituell Suchender gewesen. In meinem Herzen spüre ich zwei ewige Akteure, den Dichter und den Sucher, die ihre Namen leicht austauschen können. Ich kann den Dichter Sucher nennen und den Sucher Dichter. Ich kann ihre Namen leicht ändern und übertragen, und doch werde ich dieselbe Wirklichkeit sehen. Meine Dichtkunst und meine Spiritualität sind untrennbar. Sie sind wie die Vorderseite und die Rückseite der gleichen Münze. Man kann sie nicht voneinander trennen. Jede hat die andere unterstützt oder auf die seelenvollste und fruchtbarste Weise erfüllt.

Ich möchte mit Tagore beginnen, Rabindranath Tagore.

In einem einzigen Gruß an Dich, mein Gott, lass alle meine Sinne sich entfalten und diese Welt zu Deinen Füßen streifen.

Gleich einer Schar von Kranichen, die heimwehkrank zu ihren Nestern im Gebirge Tag und Nacht nach Hause fliegen, lass mein ganzes Leben seine Reise tun zum ewigen Heim in einem einzigen Gruß an Dich!
– Rabindranath Tagore (deutsche Übersetzung lt. Gitanjali, Hyperion-Verlag)

Ich habe mit Tagore begonnen und möchte mit Sri Aurobindo enden. Ich möchte den letzten Vers aus seinem unsterblichen Gedicht „Einladung“ zitieren.

Ich bin der Herrscher über Sturm und Berge, bin der Geist der Freiheit und des Stolzes. Stark und unerschrocken muss sein, wer mein Königreich teilt und an meiner Seite geht.
– Sri Aurobindo

Die letzte Veranstaltung der zehntägigen Feier zu Ehren Sri Chinmoys 44. Geburtstags war eine Dichterlesung durch den Meister selbst am 28. August in der Jharna-Kala-Galerie. Bevor Sri Chinmoy aus ausgewählten Schriften der großen Dichter der Welt rezitierte, hielt er obenstehenden kurzen Vortrag über die Bedeutung der Spiritualität in der Dichtkunst:

Sri Chinmoy, AUM — Vol.II-2, No. 8, August 27, 1975, Vishma Press, 1975

Künstler: Sri Chinmoy
Name: Dichtkunst und Spiritualität, CD von Sri Chinmoy
Erscheinungsjahr: 2019
Dauer: 57:30
Danksagung: Sri Chinmoy
Hochgeladen und veröffentlicht von: Kamalakanta Nieves und Tejvan Pettinger
Format: Advanced Audio Coding

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